Vor dem Hintergrund der neuen „Trinkwasserverordnungsrichtlinien“ wurde die Errichtung einer sog. “Ultrafiltrations-Vorstufe” im Wasserwerk Neckartailfingen notwendig. Hierbei wird das Trinkwasser quasi mechanisch durch hauch dünne kapillare Röhrchen gepreßt und somit Schwebstoffe und mögliche Keime herausgefiltert. Die bauliche Anlage hatte zwei Räume “einzuhüllen” – den sog. Reinwasserraum und den Filtrationsraum. Diese beiden Räume waren durch eine Wand voneinander zu trennen. Der Reinwasserraum hat durch seine Behälter eine bestimmte Höhe einzuhalten. Die Hüllform ergab sich durch die minimale Außenkontur der inneren Anlagentechnik – diese Hüllkurve ergab ein Sattel- sowie ein angelehntes Pultdach (siehe Schnitt). Eine weitere Auflage bestand beim Bauen im Wasserschutzgebiet darin, ausschließlich Materialien zu verwenden, die durch Bewitterung keine chem. Veränderungen ergeben. Die Entscheidung fiel auf Keramik an den Giebelfassaden und Aluminiumblech auf der Dachfläche sowie der Westfassade.
Wichtig war auch, das „Fließen des Wassers“ im Inneren in einer Form außen sicht-/ablesbar zu machen. So wurden z.B. die fließenden Linien und scheinbaren Bewegungen im graphischen Motiv der Mosaikfassade sowie in der Kontur der Metallhülle als Sinnbilder für diese Bewegung gewählt.
Darüber hinaus war auf dem Grundstück eine Wirtschaftshofüberdachung notwendig. Hier wurde lediglich die vorgegebene Gebäudekontur des vorhandenen Trafogebäudes verlängert und in einer Holzrahmenbauweise – mit Eichenholz für die Primärstruktur und Douglasie für die bewitterten horizontalen Lamellen – errichtet.
Im Außenbereich und Landschaftsschutzgebiet steht diese zurückhaltende Gebäudeform sicherlich in einem angemessenen Verhältnis zum Inhalt und der Funktion der Gesamtanlage.
Die Materialität der Hülle:
Die Hülle wurde als sog. Warmdach bzw. als “nicht hinterlüftete Konstruktion” – als Kompaktdach oder Kompaktwandaufbau hergestellt.
Auf der 24cm starken Stahlbetonwand wurde ein bituminöser Voranstrich sowie eine Dämmschicht aus 18cm starkem Foamglas aufgebracht. Dieses leichte aber gleichzeitig hoch feste Dämmmaterial besteht aus Millionen vollständig geschlossener Glaszellen, mit ebenso vielen dämmenden Hohlräumen. Dank dieser Zellstruktur zeichnet sich Schaumglas mit Eigenschaften wie absoluter Wasser- und Dampfdichtigkeit, hoher Druckfestigkeit und Maßbeständigkeit aus. Zudem ist dieser Dämmstoff unverrottbar und säurebeständig, nicht brennbar (A1) und eignet sich für Betriebstemperaturen von -260°C bis +430°C. Diese außergewöhnlichen Produkteigenschaften des Sicherheitsdämmstoffes führen zur besonderen Eignung beim Bau von Trinkwasserbehältern. Die konstanten Wassertemperaturen von ca. 8°C wirken im Sommer gegenüber der Außenluft wie Kältebehälter. Die Tauwasserentstehung auf der Innenseite von Behälterflächen muss vermieden werden, da sonst eine vermehrte Bakterienansammlung entstehen könnte. Die mechanische Sicherung und Montagehilfe erfolgt über ein Auflager im Sockelbereich und die 15 x 15 x 3 cm messenden 1,5mm starken Edelstahlkrallenplatten. Diese sind im Bereich der späteren Aluminiumbandeindeckung so platziert, dass die Abstände der Haftenanordnung der Blechscharenbreite entsprechen. Ein sog. Durchsteckanker mit Senkkopf fixiert die Krallenplatte direkt auf dem Betonuntergrund. Durch die außenliegende Befestigungsebene garantiert dieses System minimale Wärmebrücken. Als Sekundärabdichtung und Trennschicht zwischen Foamglasdämmebene und der Aluminiumbekleidung fungiert eine aufgeflämmte Polymerbitumen-Schweißbahn bzw. im senkrechten Fassadenbereich eine kaltselbstklebende Polymerbitumenbahn. Durch diesen gewählten Fassadenaufbau konnte auf eine Holzschalung ebenso wie auf eine Fassadenhinterlüftung verzichtet werden. Die Falzonal-Winkelstehfalzeindeckung wurde direkt auf der Dämmebene montiert. Auf den Krallenplatten aufgenietete Edelstahl-Standarthaften halten die Fassadenscharen sicher an der Wand. Die zuvor sorgfältig im Dämmaterial angeformten Rundungen wurden durch eine entsprechende Profilierung der Scharen passgenau überdeckt. Passend zu dieser Gestalt wurden die Sammelrinnen jeweils am Ende des “Aluminium-Teppichs” ausgebildet. Die Edelstahlfallrohre wurden vor der Keramikmosaikfassade geführt.
Die beiden Edelstahleingangstüren wurden in einer baulichen Nische integriert um kein Vordach bauen zu müssen. Für die bautechnische Zulassung im Einzelfall der Keramik-mosaikfassade wurden im Vorfeld entsprechende Prüfverfahren an der Materialprüfanstalt der Universität durchgeführt. Diese konzentrierten sich vor allen Dingen auf entsprechnde “Haft-Zug-Versuche” und “Frost-Tau-Wechsel” an Prüfkörpern mit dem beabsichtigten
konstruktiven Aufbau:
– 24cm Stahlbetonaußenwand
– bituminöser Voranstrich und
– Klebemörtel PC56 (Zwei-Komponenten-Reaktionskleber aus kunstharzvergütetem Bitumen für die Verklebung
– 12cm Dämmplatten Foamglas-Platten T4-040
– mechanische Befestigung (bauaufsichtlich zugelassene Tellerdübel für die Befestigung von WDVS durch das Armierungsgewebe hindurchgedübelt
– Unterputz mit Gewebe (mineralische Beschichtungsmasse mit Textilglas-Gittergewebe PC 74 A2
– Verlegemörtel Ardex X7G mit Ardex E90-Dünnbettmörtel nach DIN 19 156-M mit Kunstharzvergütung
– Fugenmörtel (Ardex FL, flexible Schnellfugenmasse)
– Keramik
Fein-Steinzeug-Knopffliese rund Jasba-Centino C2 Art.Nr. 9927H/III federgrau sowie
8820H/III weiß
Für die Vorbereitung der Fertigung von individuellen Keramikmosaikmotiven wurde im Zuge dieser Projektrealisierung in Zusammenarbeit mit der Industrie eine Lösung entwickelt. Diese ermöglicht es, die Bildmotive in den entsprechenden Fertigungsrastern der Keramik-Knopf-Einheiten aufzuteilen und vollautomatisch auf dem Trägermaterial anzuordnen. Diese Teilflächen-Elemente werden entsprechend der Planung gekennzeichnet und müssen dann “nur noch” der Reihe nach an der Fassade angebracht werden.
Bewußt wurde die Keramikfliese für die Außenfassade gewählt um auch in der Materialität die Oberfläche nach außen zu wenden, die sonst nur in Schwimmbadbecken oder Bädern im Innenraum bzw. an den wasserberührten Oberflächen Verwendung findet.
Stuttgart im Mai 2008